Mein Bewertungssystem:
Pflichtkauf: Sehr gutes Spiel, sollte jeder man gesehen haben.
Fanservice: Ein Spiel, mit dem sicher nicht jeder kann, dass aber für einige schon eine interessante Erfahrung sein kann.
Sammlerstück: Ein Spiel, dass wirklich nur die aller ärgste Sammler kaufen sollten. Vermutlich wird es in 20 Jahren mal was wert sein, wenn man es nie ausgepackt hat
zum Vergessen: Ein wirklich schlechtes Spiel, dass nicht das Material wert ist aus dem die Verpackung besteht. Allein die Veröffentlichung grenzt schon an Körperverletzung.
Vorwort:
Clive Barker sieht Games als Kunst an. Wenn jemand wie Barker so etwas von sich gibt, dann hat das was zu bedeuten – schließlich haben wir hier ein waschechtes Multitalent vor uns. Er ist Autor, Maler, Regisseur (Film und Theater), Produzent (Film und Theater), Drehbuchautor und weiß Gott was sonst noch alles. Zudem hat der Welt mit seinem ersten Spiel „Clive Barker’s Undying“ einen echten Geheimtipp der Extraklasse gebracht. Es ist für uns Gamer eine Ehre eine so qualifizierte Stimme für uns sprechen zu lassen – um so viel schwerer fällt es dann auch eine solche Review zu schreiben…
Story:
Jericho ist also das neuste Werk Barkers und das erkennt man auch. Die Story und die Figuren wirken als haben man sie direkt aus einer Geschichte Barkers herausgeschnitten.
Im Wesentlichen geht die Geschichte demnach also wie folgt: Gott hat ein Wesen nach seinem Ebenbild erschaffen. Das gefiel ihm nicht, also hat er es in eine Kiste gesperrt um nochmal ganz von vorne anzufangen. Im zweiten Versuch erschuf er dann den Menschen und gab ihm all die Liebe und Zuneigung. Der „Erstgeborene“ bekam das in seiner Kiste mit und wurde wütend. Nun gibt es auch unter den Menschen einige, die großes Interesse daran haben diese Kiste zu öffnen und das Kind freizulassen. Um dies zu verhindern gibt es Gruppen von Kämpfern, die in regelmäßigen Abständen die Kiste wieder schließen müssen.
Nun ist die Kiste kein kleines Kästchen, oder ein Sarg, sondern wohl eher eine Parallelwelt, in der sich mehrere durch interdimensionale Spalten miteinander verwobene Zeitepochen zusammenfügen. Eine Zeitepoche wird immer dann ein Teil dieser Welt, wenn die Kiste zu der Zeit geöffnet wurde. Dies geschah bei den Sumerern, bei den Römern, bei den Kreuzrittern, im zweiten Weltkrieg und eben heute. Das Team, das diesmal zur Tat schreitet nennt sich Jericho und besteht aus 7 Soldaten.
Kritik
Ich könnte mich hier lange damit aufhalten über die leicht veraltete Grafik, den dürftigen Sound oder die leicht überdurchschnittliche Musikuntermalung zu reden, aber das würde uns nicht zum Kern der Sache bringen, denn dieses Spiel fällt an ganz anderen Stellen auf.
Das Spielprinzip ist simpel: man ballert als allen Rohren. Da die Kämpfer allesamt über magische Kräfte verfügen wird Munition einfach wieder her gezaubert, sollte sie mal ausgehen, gefallene Mitstreiter können wieder erweckt werden und ein paar andere Fähigkeiten können beispielsweise entweder aktiven Schaden Anrichten, oder passiv die Gegnermassen in Schach halten.
Darüber hinaus hat man das Gameplay auf das absolut nötigste reduziert. Es gibt in der Umwelt nichts zu finden, die Levels sind extrem linear und die Rätsel, so man sie so nennen kann sind in ihrer Art exakt vorgegeben und alles andere als herausfordern. Man beschränkt sich darauf dem Spieler tonnenweise skurrile Gegner vor die Flinte zu werfen.
Ca. eine halbe Stunde im Spiel drin stirbt die Figur des Spielers. Fortan darf man von Körper zu Körper seiner Mitstreiter wechseln. Das ist wohl der echte Kicker des Spiels und es würde auch sehr gut funktionieren… leider tut es das nicht in vollem Maße. Der Grund dafür tut fast schon ernsthaft weh:
Keine der Figuren im Spiel wird vernünftig eingeführt. Auch sonst gibt es zwar zwischen drin ein paar kurze, aber uninteressante Cutscenes, in denen die Figuren dem Spieler auch nicht wirklich näher gebracht werden können. Man weiß also, dass es da sechs Leute gibt, die alle was eigenes können, aber ich konnte bis zum Ende nur mit Nachdenken den Gesichtern und Fähigkeiten auch Nachnamen zuordnen. Leider sind diese Nachnamen jedoch nur für das Charaktertauschmenue relevant, da man sich ansonsten häufig mit dem Vornahmen anredet.
Ja, im Spiel wird dem Spieler gesagt, er sollte zum Beispiel als „Bobby“ etwas machen. Wer ist nun dieser Bobby? Man wechselt also hin und her zwischen allen Männlichen Figuren, da Bobby ja wohl ein Mann sein müsste. Da dies nicht funktioniert fängt man an nachzugrübeln und schlägt schließlich nach. Der gute „Bobby“ heisst mit Nachnamen „Church“ und ist eine Frau – Na geil.
Das ist einfach undurchdacht und leider ein Sinnbild für das ganze Spiel:
- Man hat versucht filmeigene Dramatik einzubauen und musste auf Quicktimeevents zurückgegriffen die nervig und deplatziert sind.
- Man zeigt eine verängstigte Frau, die jedoch davor tonnenweise Dämonen der übelste Sorte vernichtet hat und eine bis an die Zähne bewaffnete Elitesoldatin ist.
- Man baut toll aussehende Levels und lenkt die Figuren dann durch einen schon penetrant linearen Schlauch.
- Man tut so als wäre es Sinnvoll das Kommando irgendwie taktisch zu beeinflussen und baut nur Gegner ein, die eh auf einen einströmen und jeden taktischen Aufbau damit verhindern und unnötig machen.
- Man Spielt in einem Team, es gibt aber keinen Mehrspieler Modus, obwohl sich ein Co-op absolut anbieten würde.
- Man hat eine gute Story und erstickt sie im stupiden niedermähen von Gegnern.
- Sogar das Ende scheint mittendrin aufzuhören und ist hochgradig unbefriedigend.
Und so weiter…
Wirklich, ich will dieses Spiel mögen, und wer Barker’s Stil mag wird mich verstehen. Man merkt wie hier viele gute Ideen als Grundlage vorgegeben wurden und man erkennt mühelos den Einfluss Barkers. Das Problem ist, dass die Ausführung der Ideen scheinbar als unwichtig erachtet wurde. Es wirkt alles so unfertig, so als hätte man ein unglaublich tolles Brainstorming gehabt, in dem keiner mitgeschrieben hat. Es ist wirklich ein echter Jammer.
Zusammenfassung und Wertung
Pro:
- + Barker an allen Ecken und Enden
+ Interessantes Charakterwechselsystem
+ Viele, viele gute Ansätze
Contra:
- - Ansätze werden teilweise nur nicht gut und teilweise extrem schlecht umgesetzt
- extrem linear
- Kein Wiederspielwert
- Kein Multiplayer
- wirkt überall unfertig
Fazit: Überall erkennt man wirklich fantastische Ansätze, leider werden diese unter Massen von Unzulänglichkeiten erstickt.
Wertung: Sammlerstück
- Holger Sontag